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Was ist der bauliche Brandschutz?
Eine kurze Definition des baulichen Brandschutzes
Der bauliche Brandschutz kann gut über seine Ziele definiert werden. Im Wesentlichen verfolgt der bauliche Brandschutz diese vier Ziele:
- Ziel 1: Ein Brand soll zunächst verhindert werden.
- Ziel 2: Falls doch ein Brand entsteht, soll verhindert werden, dass der Brand sich unkontrolliert ausbreitet.
- Ziel 3: Menschen und Tiere müssen gerettet werden können.
- Ziel 4: Das Löschen eines Brandes soll möglichst effektiv durchführbar sein.
Der bauliche Brandschutz leistet einen wichtigen Beitrag, um diese Ziele zu erreichen. Die Maßnahmen werden durch Beiträge des organisatorischen, anlagentechnischen und abwehrenden Brandschutzes ergänzt. Wenn Sie sich einen Überblick über die unterschiedlichen Maßnahmen des Brandschutzes verschaffen möchten, klicken Sie bitte hier. Der vorliegende Artikel konzentriert sich auf den Teilaspekt des baulichen Brandschutz.
Wie wird der bauliche Brandschutz in Gebäuden umgesetzt?
Ziel 1: wie kann ein Brand verhindert werden?
Das Risiko von Bränden sinkt natürlich stark, wenn möglichst wenige brennbare Stoffe (sog. Brandlasten) in einem Gebäude vorhanden sind. Nun sind natürlich "leere" (also brandlastfreie) Gebäude der Traum eines jeden Brandschützers, aber gewiss ist die Vorstellung in den meisten Fällen unrealistisch. Beispielhaft können wir eine Lagerhalle mit Lagergut betrachten. Um die Brandlasten zu reduzieren, wird der Brandschutzplaner für die Tragstruktur der Halle möglichst nichtbrennbare oder schwer entflammbare Baustoffe wählen. Da der Brandschutzexperte hier die Konstruktion eines Gebäudes brandschutztechnisch optimiert, sprich man auch man konstruktiven Brandschutz.
Konkret bedeutet dies, dass der Brandschutzplaner beispielsweise eine stählerne Tragstruktur (nicht brennbar) sowie für die Dach- und Wandbekleidung nicht bzw. schwer entflammbare Sandwichelemente vorsieht. Damit hat der Brandschutzplaner das erste Ziel durch eine reduzierte Brandlast erreicht, da so insgesamt ein Brand unwahrscheinlicher wird. Und selbst wenn es brennen würde (siehe das nachfolgende Ziel 2), würde der Brand aufgrund der geringeren Brandlast besser beherrschbar sein.
Ziel 2: wie kann ein unkontrollierter Brand vermieden werden?
Die erste Maßnahme ist sehr gut geeignet, um das Brandrisiko zu reduzieren. Das heißt jedoch nicht, dass es nicht brennen kann! Bei der oben angeführten beispielhaften Stahlhalle wäre ja weiterhin das Lagergut als nennenswerte Brandlast vorhanden. Der Brandschutzplaner geht also immer vom schlimmsten Fall aus, nämlich dass ein Brand entsteht.
Nun stellt sich unweigerlich die nächste Frage. Wie kann verhindert werden, dass sich der Brand unkontrolliert ausbreitet? Hier können wir zunächst gedanklich zwei unterschiedliche Situationen betrachten. Wenn es sich um benachbarte Gebäude handelt, soll zunächst verhindert werden, dass das Feuer von einem Gebäude auf das nächste Gebäude übergreift. Es wird hier auch vom makroskopischen Abschottungsprinzip gesprochen. Wie Sie in der Aufzählung erfahren werden, gibt es auch eine mikroskopische Abschottung, wenn Einheiten durch bauliche Maßnahmen getrennt werden. Der bauliche Brandschutz bietet unter anderem die folgenden Möglichkeiten, um eine unkontrollierte Brandausbreitung zu verhindern:
- Falls die Gebäude neu errichtet werden, halten sie bestimmte Abstände zueinander ein, damit der Brand nicht überschlagen kann. Die sog. Musterbauordnung (Pdf-Datei) definiert in §6 diese Abstände. Diese Art der Abschottung zwischen Gebäuden wird auch als makroskopische Abschottung bezeichnet.
- Die Wände zwischen unterschiedlichen Gebäuden werden als brandsichere Wände (sog. Brandwände) oder sogar als Komplextrennwände ausgeführt. Da die Gebäude hier nebeneinander stehen dürfen, wird diese Maßnahme auch als mikroskopische Abschottung bezeichnet.
- Es wird eine sog. harte Bedachung verwendet, die nichtbrennbar ist (z.B. Dachziegel). Es handelt sich hierbei ebenfalls um eine mikroskopische Abschottung.
- Die Tragstruktur eines Gebäudes sowie die Wände und Decken weisen einen sog. Feuerwiderstand auf. Damit wird gewährleistet, dass die Tragstruktur einer definierten Branddauer (z.B. 90 Minuten) standhält und somit die Abschottung gewährleistet. Die brandschutztechnischen Anforderungen gelten dann auch zum Beispiel für Türen und Lüftungskanäle.
- Innerhalb eines Gebäudes können zudem sog. Brandabschnitte geschaffen werden. Das sind Bereiche, die bei einem Brand ausbrennen dürfen. Bauliche Maßnahmen verhindern jedoch, dass der Brand auf einen benachbarten Brandabschnitt übergreift. Der Brandschutzplaner kann Brandabschnitte zum Beispiel umsetzen, indem die raumabschließenden Bauteile eines Abschnittes einen definierten Feuerwiderstand aufweisen.
Das Abschottungsprinzip ist eine der wirksamsten Maßnahmen des baulichen Brandschutzes. Die Geschichte lehrt uns die Folgen, wenn dieses Prinzip vernachlässigt wird. So haben Brände in der Antike und im Mittelalter große Teile von Städten vernichtet, weil die Häuser dicht an dicht gebaut waren und aus brennbaren Materialien bestanden (Stroh und Holz). Der Stadtbrand in Rom im Jahr 64 unter Nero ist sicherlich einer der bekanntesten Brände, der über 70% der Stadtfläche Roms verwüstete. Deswegen leisten Straßen auch einen wichtigen Beitrag zum Abschottungsprinzip, da sie Städte in Blöcke unterteilen. Somit kann ein Brand "nur" in einem Block stattfinden, jedoch nicht ohne weiteres auf die komplette Stadt übergreifen.
Das sich die Bebauung gerade in innerstädtischen Lagen zunehmend verdichtet, wird es zunehmend schwieriger bzw. ist es nicht möglich, die geforderten Grenzabstände einzuhalten (makroskopische Abschottung). In solchen Fällen gewinnt die Trennung von Einheiten durch bauliche Maßnahmen (mikroskopische Abschottung) an Bedeutung.
Damit die Kosten für den Brandschutz nicht ausufern, definiert der Gesetzgeber zum Beispiel über die Gebäudeklasse unterschiedliche Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer von Bauteilen. Das bedeutet, dass die mikroskopische Abschottung nur für eine bestimmte Dauer funktionieren muss, damit sich die Nutzer eines Gebäudes selbst retten bzw. gerettet werden können. Es ist anschaulich klar, dass in einer ebenerdigen Industriehalle in aller Regel wesentlich geringere Anforderungen an die Bauteile bestehen als in einem Hochhaus, da die Selbstrettung im Brandfall zunehmend schwieriger wird.
Die aktuellen Normen zeigen mögliche Lösungen auf, damit Bauteile eine bestimmte Feuerwiderstandsdauer erzielen können. Falls sich der Planer für abweichende Lösungen entscheidet, sollte darauf geachtet werden, dass diese ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis als Verwendbarkeitsnachweis aufweisen. Damit wird bestätigt, dass für diese Bauart in einer Brandprüfung eine bestimmte Feuerwiderstandsfähigkeit nachgewiesen wurde.
Ziel 3: Wie können bei einem Brand Menschen und Tiere gerettet werden?
Der bauliche Brandschutz leistet mit der sicheren Ausbildung von Flucht- und Rettungswegen einen wichtigen Beitrag, um Menschen und Tiere retten zu können. Eine der wirksamsten baulichen Maßnahmen ergibt sich aus §33 der Musterbauordnung (Pdf-Datei). Danach müssen Gebäude, für die die Musterbauordnung gilt, immer zwei voneinander unabhängige Rettungswege aufweisen. Im Brandfall können so die Nutzer eines Gebäudes über den ersten Rettungsweg das Gebäude sicher verlassen. Der zweite Rettungsweg ist eine zusätzliche Sicherheit, falls der erste Rettungsweg infolge des Brands blockiert ist.
Ähnlich wie beim mikroskopischen Abschottungsprinzip (siehe Ziel 2), passt sich der bauliche Brandschutz für die Flucht- und Rettungswege an den vorliegenden Gebäudetyp an, den die Bauordnung mit den sog. Gebäudeklassen beschreibt. Es leuchtet daher ein, dass die Bauordnung höhere Ansprüche an die Flucht- und Rettungswege für ein mehrgeschossiges Bürogebäude stellt als für ein eingeschossiges Bürogebäude. In erster Linie geht es um die Länge und Breite der Rettungswege sowie um ihre Feuerbeständigkeit. Aus dem Arbeitsschutz können sich gemäß der Technischen Regel ASR A2.3 "Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan" weitere Anforderungen ergeben. Insgesamt berücksichtigt der bauliche Brandschutz folgende Zusammenhänge, die unmittelbar einleuchten:
- Je höher ein Gebäude ist (höhere Gebäudeklasse), desto länger müssen die Flucht- und Rettungswege einem Brand standhalten (höhere Feuerbeständigkeit).
- Je mehr Personen ein Gebäude planmäßig nutzen, desto breiter muss der Rettungsweg sein.
- Je größer die Brandgefahr ist, desto kürzer muss der Fluchtweg sein. In Gebäuden mit explosiven Stoffen muss der Fluchtweg also tendenziell kurz sein. In Gebäuden mit einer Sprinklerung darf er hingegen länger sein.
- Für beeinträchtigte Menschen gelten höhere Anforderungen an die Flucht- und Rettungswege, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich diese Menschen selbst retten können. Die Rettungswege müssen also länger nutzbar sein, damit diese Personen gerettet werden können.
Ziel 4: Wie kann ein Brand möglichst wirksam gelöscht werden?
Wie kann die Feuerwehr einen Brand möglichst effektiv löschen? Um diese Frage kreist das vierte Ziel des baulichen Brandschutzes. Auch wenn es trivial erscheinen mag, muss dazu natürlich die Feuerwehr zunächst anrücken können. Wenn Sie an verdichtete Innenstadtlagen denken, ist das nicht selbstverständlich. Insofern stellt der Brandschutzplaner sicher, dass die Feuerwehr das Gebäude über öffentliche Verkehrswege ungehindert erreichen kann und dass sie ausreichend große Stellflächen hat. Natürlich braucht die Feuerwehr ausreichende Löschwasseranschlüsse, worum sich ebenfalls der Brandschutzplaner in Abstimmung mit der Feuerwehr kümmert.
Das Bauordnungsrecht fordert zudem, dass die Rettungswege so ausgebildet werden müssen, dass sie zugleich als Angriffswege für die Feuerwehr dienen. Sie dürfen also nicht einstürzen, was eine bestimmte Feuerbeständigkeit erfordert. Damit die Feuerwehr einen Brand effektiv löschen kann, darf er sich nicht unkontrolliert ausbreiten. Insofern besteht hier eine starke Wechselwirkung mit dem oben diskutierten dritten Ziel, dem Abschottungsprinzip.
Übrigens ist es nicht unumstritten, wie die bauordnungsrechtliche Anforderung an das "wirksame" Löschen auszulegen ist. Wenn Sie dieser Punkt interessiert, erhalten Sie weitere Informationen in einem Grundsatzpapier der Fachkommission Bauaufsicht (es handelt sich um eine Pdf-Datei).